Reality kicks in!

Kenia 2024

Herausstechen, besonders sein, die Welt verändern wollen, sich von der Masse abheben, auffallen, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bevorzugt zu werden – das sind Dinge, die ich nicht unbedingt alle erfüllen wollte und manche davon sind mir auch sehr unangenehm.

Ich schwamm zwar schon immer gegen den Strom, jedoch im Stillen und Leisen. So dass es kaum jemand merkte und ich nie viel Aufmerksamkeit auf mich zog. Herausstechen und Auffallen, war noch nie meine Stärke, geschweige denn mein Wunsch. Doch eine graue Maus bin ich auch nicht. Eher der stille Fisch, der seinen Weg schwimmt, individuell ist und trotzdem nicht allzu sehr auf sich aufmerksam macht. Tja, liebe Alina, diese Zeiten sind vorbei.

Realitätscheck, du lebst jetzt in einem Land, wo du einfach schon aufgrund deiner Hautfarbe herausstichst und auffällst. Ja, sogar manchmal anders behandelt wirst. Oft auch als etwas besser und priviligiert gesehen wirst. War das meine Absicht? Nein, absolut nicht! Ich möchte einfach mein stilles, individuelles Leben weiterleben. Das habe ich aber schon allein mit der Entscheidung einen Blog zu schreiben aufgegeben und spätestens mit der Entscheidung in ein Land zu ziehen, in welchem ich der Minderheit angehöre.

Hier falle ich auf, ob das jetzt meine Hautfarbe, meine Beziehung oder meine Art und Weise ist. Ich steche heraus und das war mir von Anfang an bewusst. Wie ich mit der täglichen Konfrontation umgehen würde, wusste ich damals noch nicht. Jetzt kann ich sagen, dass ich darüber hinausgewachsen bin, und trotzdem gibt es noch genug Begegnungen, die mich immer wieder an meine Grenzen bringen.

Vor kurzem gingen wir in ein Geschäft. Vor den Geschäften stehen immer Securities. Diese gehen perfomance halber mit einem Piepser über deinen Körper oder tasten dich ab. Ich werde immer kontrolliert so wie alle anderen auch und das ist auch gut so. Doch in dieser Situation wurde ich nicht kontrolliert und warum mich das so irritiert, verrate ich dir jetzt. Bei diesem Geschäft gab es einen Mann, der die Männer kontrollierte und eine Frau, die die Frauen kontrollierte. Vor mir ging eine einheimische Frau ins Geschäft ohne einen Sack oder sonst etwas und sie wurde abgetastet. Bei meinem Freund das gleiche Spiel. Dann kam ich mit meinem Beutel der vollgestopft mit Sachen war, nichts. Ich wurde durchgewunken. Mein Freund sah meinen Blick in meinem Gesicht und meinte nur, „Special treatment, that´s what you love!“ Er weiß, dass ich das hasse, wenn ich bei solchen Dingen anders behandelt werde als die Einheimischen. 

Ein anders Mal kauften wir in einer Tankstelle Wasser und Schokolade. Wir zahlten, mein Freund ging zurück zum Auto und ich wollte die zwei Dinge nehmen. Keine Chance! „No, let me carry it for you!“, meinte die Verkäuferin. Ich trottete vor ihr zum Auto, während sie hinter mir her spazierte, mit der Schokolade und dem Wasser auf einem Tablett. Ich musste mich dann ins Auto setzen und sie gab mir die Produkte. Es fehlte noch, dass sie sich verbeugte. Abermals sah mein Freund meinen Gesichtsausdruck und konnte sich vor Lachen nicht mehr halten. Das sind Dinge, an die ich mich nie gewöhnen werde, denn ich wurde zu einer selbständigen jungen Frau erzogen, die es gewohnt ist, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. 

Doch was ich hier eigentlich erzählen wollte, hat genauso mit meiner Hautfarbe zu tun und dem Wunsch dadurch ein besseres Leben zu bekommen. Dieses Wochenende fuhren wir zu zweit in den Südwesten des Landes, Richtung Homa Bay. Auf dem Weg dorthin überquerten wir einen Fluss und an diesem stand ein wunderschöner, großer Baum voller Vögel. Als ich diesen sah, sagte ich zu meinem Freund, er solle bitte das Auto anhalten, damit ich ein paar Fotos machen konnte. Gesagt getan, traf sich auch sehr gut, denn er bekam Hunger und während ich den Baum fotografierte, holte er sich Erdnüsse und Simsim – das sind Sesambällchen. Wir gingen daher getrennte Wege, waren gleichzeitig noch im selben kleinen Ort. Mein Freund war schon auf der anderen Straßenseite, als ich endlich das Auto verließ, und dann ging es los.

Ich bestritt den Walk of fame, würde man sagen, ich nenne es lieber den Walk of Awkwardness! Von allen Seiten hörte ich das berüchtigte Wort, „Muzungu!“. Die Boda Boda Fahrer, die an mir vorbeirauschten, machten Bemerkungen oder wurden sogar langsamer. Von überall her kamen auf einmal die Dorfbewohner:innen. Es fühlte sich so an, als wäre weiß, Gott wer gerade gekommen, um dem Dorf einen Besuch abzustatten. Ich blieb höflich, jedoch bestimmt. Ich wollte nur den Baum fotografieren, das Blöde an der Sache war, ich musste die paar hundert Meter zurücklaufen und kam dadurch mit vielen Dorfbewohnern:innen in Kontakt. Naja, die meisten saßen alle auf der anderen Seite. Sie schafften es trotzdem, dass ich mich unwohl fühlte. 

In solchen Situationen erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich mit mir selbst auf Deutsch spreche. So versteht mich keiner, ich nehme mich selbst auf die Schaufel und mache Bemerkungen gegenüber den Leuten, die etwas sagen oder „blöd dreinschauen“. Ich lief über die Brücke und machte dann endlich meine Fotos. Auch das wurde natürlich in Kiswahili festgehalten und kommentiert, das konnte ich jedoch ausblenden und es berührte mich nicht. Dann ging ich zurück und du kannst es dir schon denken, das gleiche Spiel von vorne. Die Boda Boda Fahrer auf der anderen Seite wurden noch präsenter und winkten mich zu ihnen und meinten ich solle ihnen Geld geben. Ich sagte höflich jedoch sehr bestimmt „nein, danke“ zu diesem Angebot und ging meines Weges. Dann fuhren zwei Boda Boda Fahrer an mir vorbei und hielten dort, wo mein Freund schon beim Auto wartete, an. Auch sie hofften, dass ich ihnen mehr Aufmerksamkeit geben würde, als ich mir wünschte. Ich ging kopfschüttelnd und dankend an ihnen vorbei und gelangte dann endlich zum Auto. Und dann passierte Folgendes…

Kaum, dass ich beim Auto ankam und über das Dach hinweg mit meinem Freund sprach, wurde es still im ganzen Dorf. Jetzt traute sich keiner mehr etwas zu sagen. Ich ließ mich in meinen Sitz fallen und meinte nur: „Well that was an experience! I have the feeling, that they have never seen a Muzungu before!”. 

Mein Freund sah alles und mischte sich jedoch nicht ein, denn er sah, dass ich diese Situation auf meine Art und Weise gut meisterte und einfach meinen Weg ging. Jedoch hatte er alles genau im Blick und wäre dazwischen gegangen, wenn es die Situation verlangt hätte. 

Kürzlich habe ich mit einer Freundin über dieses Thema gesprochen und sie meinte dann, ob ich glaube, dass dies irgendwann nachlässt und besser werden würde? Ich bin ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Was auf jeden Fall schon viel besser geworden ist, ist wenn die Leute sehen, dass mein Freund und ich zusammengehören, werde ich nicht mehr blöd angesprochen. Jedoch gibt es viele, die es immer wieder versuchen. Ich frage mich dann immer, ob es nur uns so geht oder anderen bikulturellen Paaren  auch. Gleichzeitig ist das ein Thema für sich, was sicher noch öfter auftauchen wird.