Unsere Realität!

Kenia 2024

Wir wussten, worauf wir uns einlassen. Wir konnten ahnen, was alles auf uns zukommt. Wir legten uns eine dicke Haut zu. Es war uns beiden bewusst, dass diese Beziehung keine leichte werden würde, doch dass wir immer wieder so darum kämpfen müssen, war uns nicht bewusst.


Ich weiß, ich habe darüber jetzt schon des Öfteren geschrieben, jedoch wird dieses Thema nicht alt werden und leider immer mehr präsenter als wir es uns wünschen. Heute brach es aus meinem Freund heraus. Er erzählte mir, was er sich immer wieder anhören darf, von bitte wildfremden Menschen. Wir haben uns fest vorgenommen, diesen Dingen keinen Raum zu geben, jedoch sind sie leider omnipräsent und wir dürfen immer wieder lernen, wie damit umgehen.


Heute brachte mein Freund allein das Auto zurück, da ich Vorbereitungen für meinen Online-Unterricht machen musste. Als er zurückkam, schneller als erwartet und mich somit ziemlich erschreckte. Als er plötzlich hinter mir stand, brach es aus ihm heraus. Er erzählt mir, dass der Autovermieter, der mich seit meiner Ankunft in Kisumu kennt, immer wieder nachhackt, wie das Leben mit einer weißen Frau ist. Der Autovermieter möchte von meinem Freund wissen, was sein Geheimnis ist. Wie er es geschafft hat, eine weiße Freundin zu bekommen. Auch versucht er immer wieder, mehr Geld aus dem Ganzen herauszuholen, denn er weiß ja, dass hinter meinem Freund eine weiße Freundin steckt und die natürlich genug finanzielle Mittel hat. Das sind die absoluten Annahmen der Afrikaner – weiß, bedeutet gleich Geld.


Dann erzählte er mir, dass gestern Ähnliches passiert war. Wir fuhren gestern zu dritt. Für die nächsten zwei Monate lebt eine Tirolerin in unmittelbarer Nähe von uns und mittlerweile auch eine Freundin, etwas durch die Gegend. Alle drei mussten wir raus, und so verbrachten wir einen gemütlichen und feinen Tag gemeinsam im Südwesten Kenias. Natürlich fielen wir nochmals mehr auf, denn jetzt waren wir zwei Europäerinnen (weiß) und ein Afrikaner (schwarz). Als wir an einem Strand waren, besorgte mein Freund Bananen und Avocados. Wir zwei warteten dabei etwas abseits, redeten, genossen die Aussicht und machten Fotos. Während wir dies taten, erfuhr ich heute, wurde mein Freund ausgequasselt. „Du bist so privilegiert.“, „Wow, wie hast du das geschafft, dass du zwei Wazungus dabeihast?“ und so weiter und so fort.


Ganz oft wollen die Leute mit mir/uns reden, tun dies aber nicht und sprechen hinter unserem Rücken auf Swahili-Dinge ab. Komm auf uns zu und rede mit uns! Wir sind Menschen genauso wie jeder andere!


Mein Freund jedoch steht komplett hinter dieser Beziehung. Auf solche Dinge geht er nie groß darauf ein und, wenn es um mehr Geld geht, ist es bei ihm absolut aus. Da kennt er nichts. Wir zahlen den gleichen Preis wie alle anderen auch. Wenn einer meint, er muss mehr verlangen, nur weil ich dabei bin, gehen wir schnurstracks weiter und suchen eine andere Person, die uns helfen kann.


Ich meinte heute nur, dass dies unsere Realität ist und immer sein wird, und dann noch, er soll unbedingt ein Buch darüber schreiben, was das Geheimnis ist, wie man eine weiße Person bekommt, denn das wüsste ich auch gerne.


Wenn es Dich interessiert, dann komm auf uns zu und rede mit uns. Und wenn nicht, dann lass es bleiben und bitte schließe keine zu frühen Urteile über etwas. Du weißt nie, wie die Realität aussieht, und im Endeffekt sind wir alle nur Menschen, die dieses Leben erleben wollen.