Auf den Straßen Kenias - Teil 1

Kenia 2023

Als ich vor neun Jahren das erste Mal den Osten Afrikas besuchte, merkte ich ziemlich bald, dass hier der Straßenverkehr ein anderes Kaliber ist. Es ist ein absolutes Chaos, in dem dann doch erstaunlicherweise Ordnung herrscht. Auf den Straßen findest du alles, wirklich alles. Von Fahrzeugen über Menschen und Tiere, die einfach mitten auf der Straße gehen oder stehen bleiben, bis hin zu Obst- und Gemüse-Ständen. Die Straßen sind Hauptnetzwerk für tatsächlich alles.

Ich bin mittlerweile ein Teil dieses „Ordnungschaos“ und weiß, wie ich mich zu verhalten habe, um, naja schlicht und einfach gesagt, am Leben zu bleiben. Denn die Fahrzeuge fahren, wie sie wollen und wie es ihnen gerade gefällt. Ja es gibt Ampeln, diese werden jedoch in den seltensten Fällen überhaupt beachtet. Hier in Kisumu gibt es gar keine Ampeln, fällt mir gerade auf. Dafür gibt es extrem viele Kreisverkehre und das ist auch so ein Spezialfall. Nur weil du schon im Kreisverkehr bist, heißt das noch lange nicht, dass du Vorrang hast. Ganz oft passiert es, dass die Autos vor einer Einfahrt im Kreisverkehr stehen bleiben und somit die wartenden Autos hereinlassen. Jedoch ist dafür überhaupt nicht die Stauentwicklung verantwortlich, sondern eher das Gefühl der Fahrer:innen.

Das erste Mal, als ich dieses ganze Chaos sah, schwor ich mir, mich hier nie hinters Steuer zu setzen, denn ich bin ja nicht lebensmüde. Je öfter ich nach Ostafrika kam, desto mehr reizte es mich, zumindest einmal für eine kurze Zeit, ein Teil dieses „Wahnsinns“ zu sein. Allerdings fernab von großen Städten und Co., eher im Hinterland, wo nicht allzu viel los ist. Jedoch ergab sich nie die Chance dazu und ich ließ den Gedanken auch bald fallen, als ich wieder einmal sah, was hier abgeht. Tja und jetzt bin ich doch Teil des Straßenverkehrs, und zwar nicht für Kurzstrecken, nein, wennschon, dennschon. Ich fuhr beim ersten Mal gleich mitten durch die Großstadt, um das Auto vom Waschplatz wieder nach Hause zu fahren. Neben mir saß mein Freund und das war dann gleich eine doppelte Herausforderung für mich. Das erste Mal, dass wir gemeinsam Auto fuhren und er meinen Fahrstil kennenlernte und dann noch durch den Frühabendverkehr in Kisumu. Ich fühlte mich ein bisschen wie in der Fahrschule, jedoch nicht im negativen Sinn. Gleich beim Abbiegen vom Waschplatz auf die Straße, war meine erste Challenge in die Straße einzufahren, denn die Boda Boda Fahrer waren überall. Kurzer Einwurf: ich gendere Boda Boda Fahrer deshalb nicht, da es wirklich nur Männer sind. Irgendwann hieß es dann: „Alina, jetzt fahr, sonst kommen wir nicht vom Fleck.“ Tja, ab und zu darf man nicht allzu gutmütig sein. Dann lief alles wie am Schnürchen und wir kamen sicher und gut zuhause an.

Als ich dann das erste Mal so richtig fuhr, fuhr ich natürlich gleich 2 ½ Stunden durch Kenia und dessen Straßen. Um das Ganze jetzt auch noch zu toppen, fuhr ich dann am selben Tag noch eine Stunde in der Dunkelheit. In unserem Reiseführer steht ausdrücklich, meiden sie das Autofahren im Dunkeln 😉. Diesen Kommentar kann ich jetzt absolut verstehen und allen nur ans Herz legen, dies nicht zu machen. Gleichzeitig ist es eine absolut spannende Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.

Fahren in der Dunkelheit in Kenia ist eine komplett andere Geschichte. Du weißt nie was auf dich zukommt. Menschen auf den Straßen sind sowieso kaum zu sehen und Straßenbeleuchtung gibt es natürlich nicht. Die meisten fahren mit Fernlicht,  das sie nur in den seltensten Fällen abdimmen oder sogar ganz ohne Licht. Boda Boda Fahrer haben ein Licht nach vorne und fahren auch bei Nacht so wie es ihnen gefällt. Busse und LKWs sind tatsächlich die Fahrzeuge, an denen man sich orientieren sollte bei Nacht. Das Heftigste jedoch sind die ganzen Humps, also Straßenhügel, und Schlaglöcher in den Straßen! Ich legte einige Vollbremsungen hin, da ich solche Hindernisse (vor allem Humps) erst in allerletzter Sekunde sah. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass ich nachtblind bin. Die Einheimischen kennen die Straßen ja ziemlich gut, ich noch nicht und daher ist es noch eine größere Herausforderung. Mein Freund kennt tatsächlich gefühlt jedes Schlagloch und jeden Hump und war eine absolute Stütze bei der Nachtfahrt. Dann gabelten wir auch noch drei Kenianer:innen auf, die mit uns zum nächsten Ort fuhren. Wenn die gewusst hätten, dass sie mit einer absoluten Kenia-Straßenverkehr-Anfängerin mitfuhren, wären sie vermutlich nicht eingestiegen 😉. Nach dieser Nachtfahrt war ich fix und fertig und schlief um 21:00 Uhr tief und fest!

Hier gelten die ganz normalen Straßenregeln so wie wir sie in Österreich kennen, jedoch beachtet diese keiner und man fährt einfach gefühlt, wie es einem gefällt. Ja, auch Kenianer:innen legen eine Fahrprüfung ab, die ganz gleich wie bei uns aussieht. Der Test besteht aus einem Theorietest und drei Monate später, nach vielen Fahreinheiten, einer praktischen Prüfung. Mittlerweile fährt mein Freund immer und ich bin Co-Pilotin. Dies beinhaltet auch Fragen zum Straßenverkehr zu beantworten. Ich bekomme immer wieder Fragen wie, wenn die Fahrbahnmarkierung nicht durchtrennt ist, darf ich nicht überholen, oder? Ja genau, das heißt du bleibst, wo du bist, und überholst dann, wenn die Linie gestrichelt ist. Zack, wir überholen, egal was die Linie vorgibt 😉.  Straßenschilder gibt es in der Gegend, in der ich wohne, sehr wenige. Wenn es sie gibt, dann sind sie nicht zu übersehen, denn sie sind mindestens fünf Mal so groß, wie normalerweise. Diese Schilder sind gelb und darauf steht „Achte auf die Fußgänger“.

Die Hupe wird eingesetzt, um auf sich aufmerksam zu machen und die Straße vor dir freizubekommen. Lichthupen werden eingesetzt, wenn ich überhole und mir ein Auto entgegenkommt. Das heißt dann so viel wie, pass auf, ich komme, bin zwar auf deiner Spur, aber stell aus! Es ist keine Seltenheit, dass du auf den Straßenrand fahren musst, damit es keine Kollision gibt. Viele Straßen hier bestehen jedoch nur aus den zwei Spuren und keinem Spielraum daneben. Das heißt, du fährst dann von der Straße ab und auf der erdigen Nebenspur, wo Menschen spazieren, und Tiere grasen. Hier musst du wirklich voll und ganz bei der Sache sein, denn nur die kleinste Unaufmerksamkeit, kann ein fataler Fehler sein, der gefährlich werden kann.

Ich bin jedoch sehr froh, dass ich hier Autofahren darf und kann, denn es ist eine Erfahrung, die deinen Horizont erweitert und dir so viel gibt. Es lässt dich das Straßensystem, das du von Geburt auf gekannt hast, wieder schätzen. Ich traue mich jetzt zu sagen, wenn du einmal hier mit dem Auto gefahren bist, dann kannst du das auf der ganzen Welt!