Mein aktuelles Leben

Kenia 2023

Ich dachte mir, ich schreibe heute einmal persönlich. In diesem Bericht will ich dir einen Eindruck geben, wie es mir in meiner neuen Heimat geht. Bis jetzt habe ich sehr viel aus dem Alltag erzählt und wie hier vieles läuft, wenn du zwischen den Zeilen gelesen hast, hast du wahrscheinlich viel mehr herausgelesen, als mir bewusst ist. Heute will ich jedoch wirklich sagen, wie es mir geht und was diese Umstellung mit mir gemacht hat.

Zurück zum Anfang. Mit viertem September startete ich in einen neuen Lebensabschnitt. Ich kam mit meinen zwei Koffern, meiner Gitarre und einem Handgepäck in Kisumu an und hatte keinen Ort zum Schlafen, da mir das AirBnb drei Stunden zuvor abgesagt hatte. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen wird. Der Flug über Kisumu jedoch ließ mich ruhig werden und ich dachte mir, wow, das wird vorerst deine neue Heimat. Am Flughafen angekommen holte ich alle meine Sachen und wartete auf meinen Freund. Richtiger Afrikaner braucht natürlich mehr Zeit, um es zum vereinbarten Ort zu schaffen 😉. Ich fuhr dann mit dem Taxi los und außerhalb des Flughafens stieg er dann zu. Plötzlich war ich angekommen, fühlte mich in Geborgenheit und Sicherheit und wusste, dass alles gut werden wird. Einer der ersten Sätze jedoch war:, „Ich glaube nicht, dass du es bis 30. November schaffst, aber wir werden sehen.“ Ich dachte mir nur, ihr werdet alle noch dreinschauen und ich natürlich auch, um uns ganz ehrlich zu sein 😉.

Die ersten vier Wochen waren eine Herausforderung für mich. Ich hatte keinen geregelten Ablauf mehr. Daheim startete wieder der Alltag, so wie ich ihn bis jetzt kannte, und ich hatte die Chance, einen neuen Alltag zu gestalten. Schnell verfiel ich wieder in den alten Trott, mich in der Arbeit zu verbergen und die Realität zu verdrängen. Ich stand auf, trank warmes Wasser, aß eine Banane, startete den Laptop, verschanzte mich in allen möglichen Arbeiten, aß etwas zu Mittag, legte mich wieder auf das Sofa, arbeitete mich durch Social Media durch, telefonierte mit Familie und Freunden, schaute Filme, schrieb Tagebuch und legte mich wieder ins Bett, um zu schlafen. Was für ein Alltag, was für eine Realität! Dann war da noch der Aspekt, dass ich jetzt nicht mehr allein wohnte und nur für mich Entscheidungen treffen werde, sondern dass wir nun zu zweit sind. Glaub es mir, ich kam an meine Grenzen.

Am Anfang zweifelte ich sehr daran und verspürte immer wieder das Gefühl, dass ich einfach nicht der Beziehungsmensch bin. Die Fernbeziehung war genau mein Ding, im Nachhinein gesehen. Sie war die beste Vorbereitung auf das, was danach kommen sollte. Jedoch war unsere Fernbeziehung so lang, dass wir im „realen Leben“ ziemlich viele Hürden überkommen mussten. Doch wir meisterten es gemeinsam und blieben uns selbst immer treu.

Nach fünf Wochen ging ich dann endlich allein außer Haus. Das war ein richtiger Meilenstein für mich. Bis zu diesem Zeitpunkt war immer jemand mit dabei und jetzt hieß es auch einmal allein raus in die Großstadt. Nach diesem Spaziergang wurde ich immer mutiger und ging immer öfter allein durch die Stadt. Ich schaltete mir Musik in meinen Ohren ein und das Google-Navigationsgerät am Handy, damit ich mich nicht verlaufen würde. Naja, und wenn ich mich verlaufen würde, gibt es ja überall Boda Bodas, die mich schnell wieder an meinen Wunschort bringen würden. Das ist tatsächlich echt ein Luxus und mein Notfallplan! Das war der erste Schritt wieder zurück in die Unabhängigkeit und plötzlich wurde die Stadt noch mehr zu meinem Zuhause, als sie es zuvor schon war.

Jetzt noch zu einem Punkt, der noch nicht ganz ausgeklügelt ist und uns beiden noch etwas Kopfschmerzen bereitet. Ich arbeite zurzeit online, absolute Umstellung für mich und das, was ich nie wollte, was für eine Ironie 😉. Doch ich liebe meine neuen Jobs und die Herausforderungen, die sie mit sich bringen. Haha, ja , in einem Land online zu arbeiten, wo Stromausfälle keine Seltenheit sind, ist nicht immer lustig und brachte schon so manche Stresssituationen mit sich. Jedoch gibt es für jedes Problem eine Lösung und ich hatte von Anfang an Plan A bis D, falls es zu einem Stromausfall kommen sollte. Plan B und Plan C wurden beide schon ausprobiert und funktionierten tadellos! Das Lässige an meinen Online-Jobs ist, dass ich immer noch das mache, was ich über alles liebe! Ich schreibe für mein Leben gerne und liebe es, mit dir meine Geschichten und Erlebnisse zu teilen. Das erfüllt mich komplett und mein Kopf brodelt nur so vor Ideen, die ich zu Papier bringen möchte. Ich hoffe, dass ich irgendwann mit dieser Art finanzielle Mittel hereinbringen kann. Das Zweite ist meine Leidenschaft zum Lehren und mit Menschen aus aller Welt in Kontakt zu treten. Der Online-Unterricht auf Deutsch und Englisch ist für mich eine absolute Bereicherung und ich habe schon so viele tolle Menschen dadurch kennenlernen dürfen und neue Freundschaften geschlossen.

Das Leben in Kisumu ist absolut anders als daheim in Aldrans. Freizeitprogramm gibt es hier nicht wirklich. Chor und Co. habe ich auch noch nicht gefunden, dafür jedoch wieder die Liebe und Leidenschaft zum Gitarre spielen und singen. Freunde treffen ist noch etwas Schwierig, da ich noch kein großes soziales Netzwerk habe, jedoch baut sich dieses langsam auf. Ein Job mit „realen“ Personen fehlt mir auch ziemlich, jedoch tut sich hier auch langsam etwas. Tja, und dann ist da noch das große Problem mit dem Visum und wo wir jetzt schlussendlich bleiben werden. Das Gute ist, dass sich bis jetzt immer alles gefügt hat und ich positiver Dinge bin, dass es auch so weitergeht.

Ich habe in den letzten Monaten so viel über mich selbst gelernt, bin über mich hinausgewachsen und liebe es, in den Tag hineinzuleben. Ich möchte es nicht verschönern, es gibt Tage, an denen ich meine Heimat und Struktur vermisse, jedoch stehe ich jeden Abend bei Sonnenuntergang am Balkon und denke mir, wie glücklich ich mich schätzen darf, das hier zu leben und zu erleben. Ich habe die richtige Entscheidung für mich getroffen und bin glücklich, hier zu sein. Wie die Reise genau weitergeht, das weiß man nie, ich weiß nur, dass sie für uns zu zweit weitergeht und wir eine Lösung, einen Kompromiss für alles finden werden.