Kulturschock Reverse
Kenia 2023
Kulturschock! Was ist Kulturschock? Vor jeder Reise in ein anderes Land, vor allem „exotische“ Reiseziele wie Afrika, Asien oder Südamerika, heißt es, „wow, du wirst einen Kulturschock erleben!“. Der Kulturschock wird als ein Gefühl der Verwirrung und Angst beschrieben. Dieses kann auftreten, wenn du in ein dir fremdes, fernes, unbekanntes Land fährst, dort wo das Leben anders aussieht als in deiner Heimat.
Doch gibt es auch einen Begriff dafür, wenn es andersherum ist? Was ist, wenn nicht der/die Reisende/Ausländer:in den Kulturschock erlebt, sondern die Einheimischen? Dafür gibt es eigentlich keinen Begriff, oder? Daher „Culture Shock reverse“. Ich persönlich erlebe keinen großen Kulturschock mehr hier in Ostafrika, kleinere auf jeden Fall. Doch jetzt soll es einmal nur indirekt um mich gehen, sondern vielmehr um die Leute um mich herum, denn die, stellte ich fest, erfahren oft den größeren Kulturschock als ich und dass in ihrem Heimatland.
Wie kommt es dazu? Für meine neuen Bekanntschaften bin ich die erste Muzungu Freundin, die sie haben. Die Schwester meines Freundes kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als wir das erste Mal zu zweit durch die Straßen von Kisumu gingen. Das Wort Muzungu hörten wir immer wieder aus allen Ecken. Als mich ein Boda Boda Fahrer fragte ob ich Single sei, meinte sie danach, dass diese Frage nicht angebracht sei und es ihn vor allem gar nichts angeht. Sie übersetzte mir alles, wenn jemand etwas in Kiswahili sagte und wunderte sich darüber, was die Leute alles zu sagen haben. Die häufigste Aussage ist tatsächlich: „Kannst du deine Muzungu fragen, ob ich auch ihre Freundin sein darf?“ Eine komplett neue Welt für sie, von so vielen Menschen aufgrund meiner Anwesenheit angeredet zu werden und auch beobachtet zu werden.
Ähnliche Situationen hatte ich auch mit Veronica und Niver. Die zwei mussten sich auch erst an die Anmachsprüche und Blicke der anderen gewöhnen. Niver meinte nur: „Da gehst du mit einem Muzungu herum und schon will jeder etwas von dir und redet mit dir.“ Es war wirklich auffällig, als ich mit den Beiden die kurze Strecke ging, dass ganz viele Menschen, die die Beiden jeden Tag sehen, auf einmal mit ihnen sprachen.
Ich finde es immer cool zu beobachten, was mit meinen Freunden passiert, wenn ich mit ihnen durch die Straßen gehe. Auf der einen Seite sind sie stolz, dass ein Muzungu mit ihnen herumspaziert und auf der anderen Seite müssen sie sich tatsächlich mit den Kommentaren und Blicken erst vertraut machen. Für mich ist das schon Alltag. Jedoch finden wir es alle unverständlich, warum die Menschen etwas in Kiswahili sagen, wenn sie genau sehen, dass ich mit Einheimischen am Weg bin und die mir natürlich alles übersetzen. Das ist uns allen ein großes Rätsel.
Jetzt gibt es noch eine Alina-Statistik oder -Analyse: Es gibt verschiedene Arten, um darauf aufmerksam gemacht wird, dass du ein Muzungu bist. Manche sind extrem unangenehm und einfach nur lästig und andere sind dann wieder absolut okay und du merkst einfach, dass diese Person mit dir aus Höflichkeit spricht und nicht, weil du eine andere Hautfarbe hast. Die lästigsten und anstrengendsten Begegnungen sind tatsächlich die mit Schulkindern im Alter von 14 bis 18 Jahren, da wo sie einfach cool sein wollen. Es kann dir tatsächlich passieren, dass die Jugendlichen die Straßenseite wechseln und mit dir quatschen oder, so ging es uns in Tansania, deine Schlangenlinienverfolgen und dich so abpassen. Gleich darauf folgen Boda Boda Fahrer oder Verkäufer:innen die sich erhoffen von dir mehr Geld zu bekommen bzw. die dich einfach anbaggern wollen. Natürlich lange nicht alle, jedoch genug, dass sich diese Analyse aufstellen lässt. Dann kommen einfach irgendwelche Random-Personen, die dich unangebracht anquatschen. Kinder sind auch noch super, denn oft werden sie von den Eltern angestachelt, dass sie mit mir sprechen sollen. Dann folgen noch alle anderen Personen, die wirklich ehrlich und höfflich mit mir sprechen wollen. Das sind vor allem diese, die mich jetzt schon öfter gesehen haben und die ich immer wieder auf dem Weg in die Stadt treffe oder die Obst und Gemüse Verkäufer:innen. Zum Schluss gibt es noch einen Großteil der Bevölkerung, der einfach seinen Weg geht und sich um mich nicht schert! Gott sei Dank.
Kürzlich ging ich durch die Straßen und musste dann schmunzeln und über mich selber lachen. Ich stehe absolut nicht gerne im Mittelpunkt und die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, das mag ich schon gar nicht und jetzt, tja muss ich nichts machen außer mich einfach durch die Straßen zu bewegen und ich befinde mich im absoluten Rampenlicht. Wie das Leben so spielt. 😉 Eines muss jedoch zum Schluss noch gesagt werden, ich fühlte mich hier nicht einmal unwohl oder bedroht. Auch alleine kann ich ohne weiteres und ohne Angst durch die Straßen spazieren, logisch achtsam muss man immer sein, das jedoch überall auf der Welt.