Neues Heimatland?

Sambia 2022

Seit meiner Rückkehr aus Tansania 2021 spielte ich immer mehr mit dem Gedanken, nach Afrika zu gehen und dort für längere Zeit zu bleiben. Jedoch wusste ich nicht in welchem Land. Irgendetwas drängte mich nach Sambia. Meine Oma schenkte mir 2020 zu Weihnachten einen Sambia Reiseführer, da ich der Meinung war, dass dies das Land sei, welches mein Herz vollkommen erobern würde und ich mir dort vorstellen könnte Fuß zu fassen. Daher plante ich mit IVHQ eine weitere Volontärs-Reise und eben dieses Mal nach Livingstone, Sambia.

Doch Sambia sollte ich nicht alleine bereisen. Lisa, die ich damals noch kaum kannte, wurde von meiner Begeisterung für afrikanische Länder angesteckt und fragte mich eines Tages, ob sie mich vielleicht begleiten dürfe. Ich war sofort begeistert von der Idee und freute mich, dass ich mit jemanden aus meinem Umfeld die nächste Afrika Reise bestreiten durfte.

Im Juli 2022 machten wir uns für vier Wochen gemeinsam auf den Weg nach Livingstone. Livingstone ist die Tourismusmetropole schlechthin in Sambia und liegt direkt bei den Victoriafällen. Livingstone liegt im Vierländereck Botswana, Simbabwe, Sambia und Namibia. Wir kamen am Abend an und ich fühlte mich sofort wieder wohl und wie daheim. Allerdings spürte ich von Anfang an, dass dies nicht das Land sein wird, in welchem ich sesshaft werden wollte. Dieses Gefühl würde mich den gesamten Aufenthalt auch nicht verlassen.

Wir kamen in unser Zimmer und waren beide etwas überfordert mit der neuen Situation. Lisa, das erste Mal so weit weg von zuhause und in Afrika und ich verglich alles mit Tansania und Arusha. Livingstone ist sehr westlich angehaucht und eine kleine Stadt. Ich war bis jetzt immer in größeren Städten, in denen etwas los war und das mir bekannte „afrikanische Leben“ stattfand. Das vermisste ich sofort. Wir gaben uns eine Woche Eingewöhnungszeit, um dann zu beschließen, ob wir bleiben oder das Land bereisen wollten. Natürlich blieben wir und lernten jeden Tag Neues. Wir gaben dem Ganzen eine Chance und ich bin so froh darüber.

Was wir am nächsten Tag machten, stand nie auf meiner Bucket List, jedoch bin ich extrem froh, dass wir das erleben durften. Am Tag nach unserer Ankunft besuchten wir gleich die Victoriafälle. Die Victoriafälle sind die breitesten Wasserfälle der Welt und liegen zwischen Sambia und Simbabwe. Im Oktober liegen die Wasserfälle trocken, da kein Wasser mehr fließt. In der Landessprache heißen die Wasserfälle „Mosi-oa-Tunya“ (Rauch der donnert) oder „Shungu Namutitiam“ (Brodelndes Wasser). Auf der Seite von Sambia befindet sich der berühmte „Devils Pool“. Das ist ein Naturbecken am Rande der Fälle, von denen es  kerzengerade nach unten geht. Da jedoch nicht so viel Wasser in den Fällen war, ging es für uns in den „Angel Pool“. Glücklicherweise, denn anders als beim „Devils Pool“ ist hier noch ein Stein, bevor es rauschend nach unten geht. Puh, das war eine Herausforderung für mich, vor allem auch wegen meiner Größe, denn ich lag direkt auf diesem Stein.

Wie läuft das Ganze ab: Du liegst auf dem Bauch auf einem Stein im kühlen Wasser und ein Guide steht hinter dir und hält dich an deinen Knöcheln fest. Also eigentlich hängt dein Leben in diesem Augenblick von der fremden Person ab, die deine Füße festhält. Super! L Dann ist Fotoshooting angesagt, und zwar ewig lange. Mir ging nur durch den Kopf: „Halte mich bitte ja fest, ich möchte noch mehr von Sambia sehen!“ Ja, diesen Adrenalinkick brauchten wir für den Anfang dieser Reise.

Das Projekt in Sambia war bis zu diesem Zeitpunkt das Beste, an dem ich teilhaben durfte. Wir waren in einer Schule untergebracht und durften dort wirklich mit anpacken und unsere Ideen einbringen. Wir hüpften von Klasse zu Klasse und unterstützten wo wir gebraucht wurden. Zum Schluss brachten uns die Lehrerinnen auch noch bei, wie man „Nshima“ (den berühmten Maisbrei) kocht.

An einem der Wochenenden fuhren wir mit den anderen Volontären nach Botswana in den Chobi Nationalpark. Das war auch für mich lässig, da ich wieder einen neuen Nationalpark kennenlernen durfte und das erste Mal eine Wassersafari machte. Wir übernachteten in Zelten und hörten die Hyänen und Elefanten, die rund um unser Lager marschierten. Anschließend fuhren wir, auf Wunsch der Anderen, über die Grenze nach Namibia, des Passstempels halber. Ich war schon dort und kannte das Land gut. Die Einreise, obwohl wir nur 20 Minuten auf namibianischem Boden waren, erwies sich für mich,  aufgrund der noch bestehenden Covid-Maßnahmen, als neue Herausforderung. Doch ich bin ein absoluter Glückspilz und durfte dann mit Unterstützung der anderen wieder einreisen.

In Sambia lernte ich meinen Mund aufzumachen und mich für wichtige Dinge einzusetzen. Ich hatte drei sehr intensive und energische Gespräche mit Rebeccah, der Organisationsleiterin. Ich war das Sprachrohr für alle Volontär: innen und schaffte es tatsächlich, dass sich manche Dinge änderten. Ich teilte Rebeccah meine Meinung darüber mit, dass die Organisation nur funktionieren könne, wenn sie die Volunteers und ihre Wünsche wahrnimmt. Ein Beispiel: In den ersten zwei Wochen waren wir eine Gruppe von sieben Leuten. Das war mega und wir verstanden uns extrem gut. In den letzten zwei Wochen waren wir dann auf einmal 14 Personen. Rebeccah wollte, dass wir alle miteinander sprachen und den Kontakt miteinander aufnahmen, wir brauchten alle etwas Zeit dafür. Was war ihre Lösung? Aus einer langen Tischtafel, kleine Tischgruppen mit sechs Stühlen zu gestalten. Wir kamen und fingen an zu essen. Bald jedoch kam das Problem auf, dass eine Person keinen Platz mehr hatte. Ich stürmte ins Büro und bat Rebeccah, die Tischtafel wieder aufstellen zu können. Sie meinte, wir sollen es ein paar Tage versuchen und dann ist es für sie in Ordnung es wieder zu ändern. Darauf ließ ich mich gar nicht ein und bekam dann doch ihre Zustimmung wieder eine Tischtafel zu machen.

Als wir abflogen, drückte sie mich ganz fest und bedankte sich bei mir, dass ich die Dinge ansprach, wodurch sie ihre Organisation weiterentwickeln konnte. Ich durfte ein weiteres Mal wieder über meine Stärke staunen und stellte fest, dass ich alles meistern kann. Ab und zu brauch ich nur etwas Mut.